Vielleicht ist es etwas ungewöhnlich, dass eine Webseite, die den Namen eines Kleingartengebietes trägt, sich wiederholt mit schienenbasierter Infrastruktur beschäftigt. Aber auf den zweiten Blick ist das dann doch naheliegend, weil dieses Kleingartengebiet nur mit den richtigen Weichenstellungen im Verkehr auch späteren Generationen für Obst, Gemüse & Chillen zur Verfügung stehen wird. Dabei war hier von der Schiene als Teil der Lösung meist generell in Form der Tram für Kiel die Rede - und im speziellen von der möglichen "Schienen-Südspange" über Kiel-Wellsee nach Neumeimersdorf.

Hier gehts aber nun nicht nur um den Kieler ÖPNV, sondern auch um den Fernverkehr und klimafreundlichen Gütertransport. Kurzum: bei der Bahnstrecke zwischen Bad Oldesloe und Neumünster muss Oberleitung und ein zweites Gleis her. Und zwar so schnell wie möglich!

Doch eins nach dem anderen:

Bahnhof Bad Segeberg. Bild: M.Bienick, Wikipedia, CC BY-SA 2.5

Der Verfasser dieser Zeilen durfte im Februar auf dem wunderbaren Mobilitätskongress, den schleswig-holsteinischer ADFC, VCD, BUND und andere online organisiert hatten, auf einer Session zum Bundesverkehrswegeplan am Beispiel Südspange referieren. In der anschließenden Diskussion wurde dem Haupt-Referenten Werner Reh vom BUND die Frage gestellt, wie in Deutschland insgesamt die Schienenkapazität - Personen und Güter - sinnvoll erhöht werden könne. Für Schleswig-Holstein konnte der Schreiber mit einem konkreten Beispiel einhaken, denn es hat auch Relevanz für Kiel: Die Bahnstrecke von Bad Oldesloe nach Neumünster als Schlüsselprojekt. Warum das?!?

Die Situation derzeit ist, dass praktisch der gesamte Bahnverkehr zwischen Hamburg und Kiel oder Flensburg lahmgelegt ist, wenn es zu einer Störung zwischen Hamburg und Elmshorn kommt. Baustelle, Oberleitungsschaden, Weichenstörung, Stellwerksprobleme, Unfall. Wer hier öfters unterwegs ist, kennt das. Es gibt keine elektrifizierte Ausweichstrecke. Das betrifft insbesondere auch den Fern- und Güterverkehr. Eine besondere Spezialität sind ICE von und nach Kiel, die ganz ausfallen. Bereits ohne Störung sind die Gleise im Süden am Rande der Kapazität, auch weil sich langsame Güterzüge und schnelle Personenzüge die gleichen Gleise teilen.

Ein unzuverlässiges System ist insbesondere für Pendler*innen unattraktiv und lädt nicht zum Umsteigen vom Auto ein. Je mehr Kapazität und "Backups" Infrastruktur bietet, umso besser. Das ist im Endeffekt ja auch die gleiche Argumentation, mit der neue Straßen wie die Südspange gerechtfertigt werden und im Ergebnis das Autofahren seit Jahrzehnten attraktiver gemacht wird.

Eine zweigleisig ausgebaute und elektrifizierte Strecke zwischen Bad Oldesloe und Neumünster böte genau diese Resilienz (Ausfallsicherheit) und würde die Kapazität erhöhen, ohne ein Umweg zu sein. Insbesondere durch Verlagerung eines Teils der (langsamen) Güterzüge würde die Hauptstrecke über Elmshorn an Kapazität gewinnen, ohne dass dort unbedingt zusätzliche Gleise kommen müssten. Und die jetzt eingleisige Strecke über Bad Segeberg war sogar schon einmal zweigleisig, so dass Platz vorhanden wäre und man hier wohl kaum Gartenzäune klagewilliger Anlieger wegreißen müsste.

HH - OD - SE - MMS - KIEL: Ohne Umsteigen.


Grün: Alternativstrecke Kiel-HH | Blau: Jetzige Strecke Kiel-HH

Noch spannender im Kontext A21/Südspange ist aber folgender Gedanke: Wenn es schon kein großer Umweg ist, dann könnte man auch gleich einen Teil der Züge von Hamburg über Ahrensburg, Bargteheide, Bad Oldesloe, Bad Segeberg und Neumünster nach Kiel durchbinden. Umsteigefreie Verbindung vom Südosten Schleswig-Holsteins nach Kiel: Das würde den Umstieg vom Auto sicher für manche "sexy" machen! Und die drohende Asphaltierung des südlichen Kieler Grüngürtels noch ein Stück obsoleter. Denn hier reden wir auch über Verkehr - teils aus dem ländlichen Raum - , der jetzt quasi alternativlos mit dem Auto über die B404 /A21 abgewickelt wird, weil der ÖPNV zu langsam und zu kompliziert ist. Sofern überhaupt vorhanden.

Der brandaktuelle Aufhänger, diese "Idee" hier zu thematisieren ist allerdings eine "Kleine Anfrage" der Grünen Bundestagsfraktion an die Bundesregierung zum Schienenverkehr in Schleswig-Holstein. Man kann die auf den Seiten des Bundestages herunterladen (pdf). Wer diesem Blog regelmäßig folgt weiß, dass hier die Grünen eher selten mit übertriebener Liebe bedacht werden. Stichworte sind die passive Kieler Ratsfraktion oder der Danneröder Forst in Hessen. Aber bei dieser Anfrage muss man sagen, dass die inhaltlich ein Volltreffer ist und viele gute Fragen stellt.

  • "An wie vielen Tagen der letzten zehn Jahre war die Verbindung zwischen Elmshorn und Hamburg unterbrochen oder nicht durchgehend zweigleisig befahrbar?"
  • "Wie kommt es, dass in Schleswig-Holstein die erste Elektrifizierung mit Oberleitungen erst nach 1990 und dem damit verbundenen Ende des Kalten Krieges gebaut wurde?"
  • "Sieht die Bundesregierung bei der Elektrifizierung des Schienennetzes eine Möglichkeit, Regionen mit historisch bedingter Benachteiligung gezielt zu fördern?".
    .. und vieles mehr.

Laut Wikipdia-Eintrag ist 2010 eine weitere Planung eines zweigleisigen Ausbaus und der Elektrifizierung zwischen Bad Oldesloe und Neumünster an einer nicht ausreichenden Wirtschaftlichkeit gescheitert. 2010! Genau solche Berechnungen, die bei Bahn-Planungen positive Umwelt- und Klimaeffekte außen vor lassen und Straßenplanungen mit einem gedachten Reisezeitgewinn zu hoher Wirtschaftlichkeit verhelfen, waren Thema des sehenswerten* Beitrages von Werner Reh vom BUND auf dem genannten Mobilitätskongress.

Insofern ist diese Kleingärtner-Seite gespannt, was die Bundesregierung antworten wird. Auch wegen der Frage zu Kiel-Wellsee ...

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 (*) der Beitrag von Werner Reh und auch alle anderen Präsentationen und Diskussionen sind auf den Seiten des Mobilitätskongresses abrufbar. Eine absolute Empfehlung für alle, die sich mit Verkehrswende-Themen beschäftigen!