Sollten Sie noch weitere Expert*innen zu diesem Termin eingeladen wissen wollen, so bitte ich Sie, dies möglichst kurzfristig mitzuteilen.“ So hieß es am 25. März in der Einladung der zuständigen Dezernentin Alke Voss an die Fraktionen der Kieler Ratsversammlung zu einer „Informations- und Diskussionsveranstaltung zur Vorplanung der DEGES zu den Bedarfsplanprojekten „Ausbau der B 404 zur A 21“ sowie „Neubau B 202 Südspange Kiel“ am vergangenen Montag.

Viele waren der Einladung als Ratsmitglieder, Ortsbeiräte oder Verbändevertreter*innen in den Ratssaal gefolgt. Die Expertise von Seiten der Kritiker*innen an den bisherigen Planungen kam aber nur am Rande und zudem unter erschwerten Bedingungen zu Wort. Und trotzdem sind diejenigen, deren Priorität bei Klima-, Umweltschutz und Verkehrswende liegt, gestärkt aus der Veranstaltung gegangen.

Wofür – einmal mehr – der geladene DEGES-Vertreter Mario Schönherr sorgte, der jenseits lokaler politischer Befindlichkeiten mit einer guten Prise Humor den Stand der Dinge referierte.

Präsentation der DEGES im Ratssaal zur A21

Um die wichtigsten Ergebnisse vorweg zu nehmen: Der „gesetzliche Planungsauftrag“ beinhaltet, dass eine Autobahn „bis zum Barkauer Kreuz“ gebaut wird. Wie das Ende der Autobahn aussehen wird: Unklar. Wer den Umbau des Barkauer Kreuzes bezahlen wird: Unklar. Dies entgegen jahrelanger Beteuerungen seitens der politischen Befürworter in Kiel, dass mit einem A21-Bau automatisch eine Kostenübernahme durch den Bund einhergehe.

Klar ist ist aber, dass eine zusätzliche Südspange das Barkauer Kreuz, die Schnittstelle von A21 und bereits hochbelasteter innerstädtischer B76, nicht entlasten würde. Höchstens in der Größenordnung eines „Rundungsfehlers“, so Schönherr trocken. Die DEGES-Prognosen sagen aber, dass der Verkehr von der dann ausgebauten A21 zunehme, egal ob mit oder ohne Südspange. Das komme dann „oben drauf“. Was nichts anderes heißt, dass am Barkauer Kreuz ein Verkehrskollaps droht, wenn denn die Prognosen der DEGES Realität würden.

Was ist die beste Wahl, ein Problem nicht zu lösen?

Diesen Erkenntnissen zum trotz geht die aktuelle Diskussionslinie in der Stadtpolitik zum Thema A21 aber so: Soll zukünftig eine 4-spurige Bundesstraße keine Lösung sein? Oder soll lieber eine Autobahn mit breiterem Querschnitt und zusätzlicher Nebenstrecke durch den Grüngürtel keine Lösung sein und die Probleme noch verschärfen?

Wobei die minimal-invasive „Nicht-Lösung“ mittels 4-spuriger Bundesstraße ohne Nebenstrecke laut Antwort-Brief der scheidenden Verkehrs-Staatssekretärin Susanne Henckel im Dezember ‘24 an den Kieler OB bei „bis zu 56.000 Kfz am Tag“ nicht möglich sei. Die einschlägigen Richtlinien sähen ab 30.000 Autos bereits autobahnähnlichen Ausbau mit Nebenstrecke vor. Der Vollständigkeit halber: Die Zahl der Staatssekretärin beruht irreführender Weise auf einer bereits im Planungsprozess von der DEGES verworfenen Ausbauvariante mit Südspange: die für die Diskussion relevante, aber fachlich durchaus auch umstrittene Prognose im DEGES-Gutachten ist 47.400 …

Die Alternativlosigkeit der strikten Richtlinien-Anwendung wurde von Rechtsanwältin Rhoda Verheyen im Anschluss an die DEGES-Präsentation überzeugend pulverisiert. Verfassungsauftrag sei Klimaschutz, nicht Autobahnbau. Auch mit Verweis auf ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 9 A 5.23, Ortsumfahrung Teschendorf) stellte sie klar, dass diese Richtlinien nicht für die Planungsbehörden bindend seien. Und das Bundesfernstraßengesetz biete auch die Option, dass sich Stadt, Land und DEGES auf einen Verzicht auf einen autobahnähnlichen Ausbau einigen könnten.

In diesem Zusammenhang spielte auch in der späteren Diskussion eine Rolle, dass der auch in finanzieller Hinsicht ablehnende Bescheid von der alten Bundesregierung kam. So auch Äußerungen der Ratsherren Marcel Schmidt (SSW) oder Dirk Becker (FDP).

Der offensichtlich fundierte Vortrag der sehr renommierten Juristin, die 2021 vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz klagte, hatte allerdings unschöne Begleitumstände. So wurde der Referentin nicht im Voraus mitgeteilt, dass sie sich mit lediglich 10 Minuten Redezeit begnügen müsse. Und bizarrerweise konnte die vorbereitete Präsentation vom USB-Stick aus technischen Gründen nicht gezeigt werden. Slapstick.

Noch ärgerlicher war aber die Einlassung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Carsten Rockstein, der sich darüber echauffierte, dass mit Frau Verheyen auch ein paar Minuten kritische juristische Expertise zu hören waren. Seine Kritik an dem Veranstaltungsformat an sich wurde allerdings zum Teil auch von „Expert*innen“ aus den lösungsorientierten Verbänden geteilt. Denn erst zu Veranstaltungsbeginn wurde transparent, dass jeder Verband nur 3 Minuten für ein Stehgreif-Statement nutzen konnte. Fachlicher Input, Vertiefung kontroverser Aspekte (insbesondere die geradezu „schicksalhafte“ Zunahme des Verkehrs) oder gar Lösungen? Fehlanzeige.

Es blieb hierbei Frederik Meißner vom VCD Kiel vorbehalten, die naheliegende Lösung anzureißen: In bessere Mobilität mit weniger Autoverkehr investieren. Als Beispiele auch das Blue-Port-Konzept des Kieler Hafens, die Stadtbahnanbindung des Kieler Südens oder auch der Ausbau der Bahnstrecke Oldesloe-Neumünster.

Christian Herold vom BUND Kiel begründete die Ablehnung der A21-Planungen nicht nur mit den negativen Folgen für Umwelt, Erholung und Stadtklima (Nebenstrecke auf wichtiger Kaltluftschneise!), sondern auch mit der Verschlechterung des ÖPNVs und den unnötigen Kosten von mindestens 20 Mio Euro für die Nebenstrecke.

Die kurzen Statements der eher wirtschaftsaffinen Verbände waren insofern bemerkenswert, dass durchaus Offenheit herrschte, dass es auch eine reine Bundesstraßen-Lösung sein könne. Am ehesten konnte man noch dem IHK-Vertreter eine Präferenz für eine A21 mit Nebenstrecke zuschreiben mit der Betonung einer „Netzresilienz“.

An die Mini-Statements der Verbände anschließend hatten die Fraktionen auch ihre "Three Minutes of Fame": Jürgen Meereis (Grüne) und Sofia Spargel (DieLinke/DiePartei) waren diejenigen, die für die gültigen Ratsbeschlüsse gegen A21 und Südspange ohne „aber“ eintraten. Meereis fokussierte sich hier insbesondere auf die völlig ungeklärte und schon jetzt problematische Situation beim Barkauer Kreuz, Spargel nannte vorrangig Aspekte der Verkehrswende und des Klimaschutzes.

Ungeachtet dessen, dass sowohl die rechtliche Einschätzung und die Finanzierungsfrage weiten Interpretationsspielraum zulassen und zudem in ein paar Tagen eine neue Bundesregierung im Amt ist, legte Christina Schubert für die SPD dar, dass es eine „Absage“ des Bundes an Kiel gebe und nun gehe es nur noch um Detailfragen bei der A21 wie Querschnitte oder den ÖPNV.

Die abschließende, etwa 10-minütige Diskussion, drehte sich dann zu großen Teilen um die Problematik Barkauer Kreuz. Könne denn die DEGES nicht gleich das Barkauer Kreuz mitplanen? „Zu kompliziert!“ - man werde das erst mal so lassen, so Mario Schönherr.

An Heike Nadolny gerichtet, die als Vertreterin des Landes vor der DEGES das Eingangsreferat gehalten hatte: Ob das Land bereit wäre zu dreiseitigen Verhandlungen, wie von Rhoda Verheyen vorgeschlagen – Stadt, Land, DEGES?

Man sei „immer bereit“ zu Gesprächen. Aber es gehe nur um das „wie“, nicht das „ob“, da es einen „gesetzlichen Planungsauftrag“ gebe, so Frau Nadolny.

Den gibt es im übrigen auch noch zur Südspange, die nach wie vor im „vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans ist. Mario Schönherr von der DEGES ließ keine Zweifel daran aufkommen, dass der Bund ziemlich mit dem Klammerbeutel gepudert wäre, eine vierspurige Straße für lediglich 12.000 Kfz/Tag zu bauen, die allenfalls einen innerstädtischen Verkehrsnutzen habe.

Planen heißt ja nicht, dass am Ende jeder offensichtliche Quatsch wirklich gebaut wird.

Der fast fertig geplante Transrapid zwischen Hamburg und Berlin, 1992 in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen, sollte ab 2005 durch Meck-Pomm schweben. Und auch am Münchner Hauptbahnhof starten nach wie vor keine Flüge.

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