Die Hitze der letzten Tage und die seit Monaten andauernde Trockenperiode wären ein Anlass, darüber zu schreiben, wie großartig Kleingärten doch sind. Grüne Oasen, die aufgeheizte, oberflächenversiegelte Städte runterkühlen. Denn gerade jetzt freut man sich darüber, laue Abende auf der Parzelle verbringen zu können, statt in stickigen Stadtwohnungen zu versauern. Eigentlich sind das die schönsten Momente im Kleingarten: Sternenhimmel, schummriges Kerzenlicht, lauschige Musik im Hintergrund - und im Idealfall auch nur ein sehr entferntes Rauschen von Autoverkehr.

Man kann garnicht aufhören, wenn man anfängt das Loblied auf Schrebergärten zu singen: Ob es nun der eigene Ertrag an Bio-Erzeugnissen ist. Oder dass Schrebergärten ein Paradies für Kinder sind, pädagogisch wertvoller als Glotze und Smartphone zusammen. Und nicht nur naturnahe Gärten sind ein Refugium für manch selten gewordene Tierart. Die kleinteilige Vielfalt der Parzellen bietet mehr "Natur" als manch durchgestyltes und pflegeleichtes städtisches Grün.

Gartenparty
Coole Party @ Schrebergarten by night

Feiern kann man da auch, mit Freunden, Familie oder sogar öffentlich, wie z.B. im Mai 2015, als in Gaardener Gärten ein "KulturNatur-Festival" mit Musik, Lesungen, Speis und Trank stattfand.

Und natürlich sollte nicht vergessen werden: Auch wenn die Pachten hier in Kiel in diesem Jahr empfindlich erhöht wurden und in manchen Vereinen durch Leerstände und marode Wasserleitungen im Einzelfall horrende Rechnungen für die Mitglieder zustande kamen: Es ist immer noch eine relativ bezahlbare Möglichkeit, an ein "eigenes" Stück Grün zu kommen. Und wie die Sportvereine sind ganz selbstverständlich auch Kleingartenvereine Orte, wo Integration gelebt wird. Die Begeisterung für Fußball ist nämlich ebenso international wie die Begeisterung dafür, sich den Bauch mit Leckereien von der eigenen Scholle vollschlagen zu können.

Aber: seit ein paar Wochen werden die Kleingärten von den Kieler Nachrichten mit Negativberichten durchs Sommerloch gejagt - mit tatkräftiger Unterstützung von Kleingartenfunktionären. Mal werden Probleme an der Herkunft festgemacht, gestern nun wurde über massenhafte Abmahnungen von angeblichen oder tatsächlichen Rechtsverstößen berichtet.

Um es ganz klar und deutlich zu sagen: So etwas ist kompletter Mist, wenn es einem am Herzen liegt, dass auch späteren Generationen noch Kleingärten zur Verfügung stehen. Wem nützt das? Sicher nicht den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern.

"Wenn unter den Kleingärtnern Konflikte herrschen, sollten mehr Kleingärten zu Bauland umgewidmet werden. Dann können dort bezahlbare Wohnungen entstehen!"
[Alexander Blazek, Vorsitzender des Verbandes der Haus- und Grundeigentümer in Schleswig-Holstein am 17.7. auf Facebook anlässlich der Auseinandersetzung um den "Ausländerstopp"]

Wenn es manchen Kleingarten-Funktionären darum ginge, massiv den Ruf des Kleingartenwesens zu schädigen: "Mission accomplished!"

Kleingärtner als hinterwäldlerische, spießige oder gar deutschtümelnde Eigenbrötler - wer will da noch einen Garten pachten? Folgerichtig hatte auch die Bundes-AfD aus Berlin diese Steilvorlage dankend angenommen und auf Facebook gewohnt scheinheilig ihre Sorge um die deutschen Gärtner kundgetan. Gleichzeitig kamen Leute in sozialen Netzwerken mit "patriotischen" Profilen und Vorliebe für die Kleidungsmarke "Thor Steinar" als tierliebe Islam-Experten aus ihren Löchern gekrochen.

Angeberfoto mit Leckereien vom Acker

Und nun ein Bericht, dass anscheinend der größte Kieler Kleingartenverein in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Stadt mit 1200 Abmahnungen weit über das Ziel hinausgeschossen sei. Betroffene Pächter*innen berichten von einem rüden Tonfall in Anschreiben, sachlich falschen Angaben oder skurrilen Fristsetzungen. So wurde z.B. in einem dieser Seite vorliegenden Schreiben von Mitte Juli gefordert, u.a. "sämtliche Waldbäume" bis 3. August zu entfernen. Das kleinere Problem hierbei: Auf der betreffenden Parzelle gibt es nur Obstbäume. Das Größere: Aufforderung zum Bruch des Bundesnaturschutzgesetzes, das nämlich eine Schonfrist bis 30. September für solche Arbeiten vorsieht. Da bekommt man richtig Lust auf einen Garten, oder?

Natürlich hat die Stadt Kiel Interesse daran, dass insbesondere Umweltgesetze eingehalten werden. Wilde Entsorgung von Müll und Abwässern (Sickergruben) geht garnicht. Und sicher mag es im Einzelfall auch "Gärten" geben, die hauptsächlich aus viel zu großer Hütte, betonierter Terrasse und etwas Zierrasen bestehen. Aber, ernsthaft gefragt: Geht es wirklich darum, eine quadratmetergenaue Umsetzung der sogenannten Drittelregelung durchzusetzen, d.h. ein Drittel Nutzgarten? Ist das Haftungsrisiko für die Stadt hier wirklich so hoch, dass sich da der Kontrollaufwand überhaupt lohnt? Oder geht es tatsächlich darum, Gärtner zu vergraulen, um Flächen für Straßen (Südspange!), Häuser und Gewerbe frei zu bekommen?

Dass dieser Verdacht überhaupt auftaucht ist auch der Schwäche der Kieler Kleingarten-Lobby zu verdanken, namentlich dem Kreisverband der Kleingärtner. Öffentlich wahrgenommen wird diese Institution eigentlich nur noch, wenn man sich vom größten Mitgliedsverein oder dem eigenen Justiziar distanziert (s. KN 17.2.18 und 6.3.18). Selbst der Internetauftritt ist nur eine vergessene Dateileiche, wo bis vor kurzem noch ein gewisser Heinz Völz (gestorben 2014) als Vorsitzender aufgeführt war und die Galerie seit 2013 Bilder von Feuerwehr und Jagd zeigt. Sofern man mit einem alten PC mit aktiviertem Flash unterwegs ist. Es mag in Kiel Vereine geben, die diesen Kreisverband noch ernst nehmen und vielleicht sogar gute Gründe dafür haben. Die Kieler Stadtpolitik mit Akteuren, die durchschnittlich kaum halb so alt wie die Funktionäre sind, sicher nicht.

Zucchini, Pastinaken, Mangold, Möhren, Kürbis, Kartoffeln ...

Vermutlich ist da Kiel auch kein Einzelfall. Das Problem zieht sich bis hin zur Bundespolitik, dass die Kleingärtner nicht für voll genommen werden. Kein Wunder also, dass es immer noch ein Kleingartengesetz gibt, das für manche nichts anderes als in Paragraphen gegossenes Spießertum ist, das mit der Lebenswirklichkeit im Jahr 2018 wenig zu tun hat.

Womit wir endlich beim Kern der Sache sind:
Das alles muss sich ändern!

Gesucht sind junge und junggebliebene Leute, die Lust auf ein bisschen Revolution haben. Die auch morgen noch für wenig Geld mit und ohne Migrationshintergrund gärtnern wollen. Ob mit der Kleinfamilie, alleine, ob im Gemeinschaftsgarten. Egal ob unter dem Label "Urban gardening", Öko-Gärtnern oder "Buddeln an der frischen Luft". Ob zum Feiern, ob zum Ernten, zum chillen oder auch um die Welt zu retten.

Pachtet Gärten und mischt euch ein!

Muffige Gartenordnungen? Kann man ändern. Vorständler oder Koppelobleute, die den Absprung nicht geschafft haben und seit Jahrzehnten Ehrenamt mit Ehrentitel verwechseln? Kann man abwählen. Da es darum geht, die Gärten zu erhalten, wäre das dann auch keine feindliche Übernahme, sondern eine sehr freundliche.

Vor einigen Jahren besetzten meist junge Leute monatelang den Platz zwischen HSH-Nordbank und Kieler Sparkasse unter dem Namen "Occupy Kiel", um die Welt ein wenig besser zu machen. Nach der Räumung des Camps trafen sich manche Aktivist*innen noch eine zeitlang noch auf dem Gelände des Prüner Schlag, das später für den angeblichen Bau eines Möbelmarktes geräumt wurde.  Man muss ja nicht ganz Kiel besetzen, man muss nicht einmal etwas illegales machen: aber ein "Occupy Schrebergarten" würde doch auch die Welt etwas schöner machen ... oder?

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