Ist der Zug schon abgefahren - oder noch garnicht da!?!

Man stelle sich folgende Situation vor: Man rennt zum Bahnhof, um einen bestimmten Zug zu erreichen. Am leeren Gleis fragt man die Umstehenden, ob der Zug schon weg wäre. Die einen bejahen das. Andere behaupten hingegen, der Zug wäre noch gar nicht da. Eine dritte Gruppe wiederum, vorwiegend ältere Herren: Auf die Bahn ist sowieso kein Verlass. Deshalb fahre auch kein Zug. Oder: Es gibt keinen Zug, weil man ja keinen sehe.

Das Bild könnte die Situation mit der Südspange und den Planungen zur A21-Anbindung in Kiel beschreiben.

suedspange stoppen

Die einen, die behaupten, man wäre zu spät dran, um die Planungen noch stoppen zu können. Und die anderen die meinen, dass man "viel zu früh" dran wäre und man im weiteren Prozess in ferner Zukunft ja noch ganz viele Möglichkeiten hätte, den Zug aufzuhalten. Das Bild ist wegen eines wichtigen Details allerdings Quatsch - aber dazu später.

"Der Zug ist abgefahren"

Im Grunde genommen ist das von den oben genannten Varianten noch die realistischte. Es gibt einen Bundesverkehrswegeplan, der Realisierung von Südspange und A21 bis zum Barkauer Kreuz als "vordringlichen Bedarf" vorsieht. Bis 2030 sollen die Bagger anrollen und im Grüngürtel neue breite Schneisen für Autos schlagen, da es schicksalhaft immer mehr Autos gibt.

So schätzen das Leute ein, die viel mit Straßenbau zu tun haben. Verkehrspolitiker*innen - und dabei durchaus auch kritische. Und vereinzelt sogar aus den Naturschutzverbänden.

"Das ist viel zu früh"

Dieses durchsichtige Schauspiel konnte man unter anderem im letzten Herbst in der Kieler Ratsversammlung anschauen. Die Linke Fraktion hatte einen Antrag gestellt, dass für die Anbindung der A21 umweltverträglichere Varianten geprüft werden sollten. Von Seiten der Südspangen-Befürworter*innen oder den Grünen wurde nun aus unterschiedlichen Motiven einer vom Pferd erzählt, dass im Zuge des späteren Planfeststellungsverfahrens ja noch richtig viel Möglichkeiten wären, wo Bürger*innen auf die Planungen noch Einfluss hätten. Und so ein Antrag deswegen einfach "viel zu früh" und auch ein wenig dumm sei.

Die Autofans von CDU, FDP oder der Kieler IHK wissen: Je länger die kritische Öffentlichkeit im Tiefschlaf verharrt, umso weniger Gefahr für den Straßenbau. Es ist ja alles noch sooooooo lange hin. Und innerhalb der Ratskooperation, die von SPD, FDP und Grünen gebildet wird, ist bisher der einzige Konsens, dass das Thema tabu ist und der Schwarze Peter Richtung Bund geschoben wird. Der Witz am Rande ist, dass auch das im letzten Herbst vorgestellte ÖPNV-Gutachten eine Prüfung weiterer Anbindungs-Varianten empfiehlt. Der Linken-Antrag war sozusagen der fundierteste Beitrag zur Sache seit Jahren auf kommunaler Ebene ...

Amtliche Bekanntmachung vom April

"Es fährt kein Zug" / "Da ist kein Zug": Manche ältere Herren sprühen geradezu vor Lebenserfahrung und Genialität und wissen einfach über alles Bescheid. Egal ob über Corona, Klimatologie, schädliche vegane Ernährung, Frauengleichberechtigung oder Islam. Oder wie man der bessere Bundeskanzler wäre. "Bundesverkehrswegeplan? Huh?!?"

Was aber nicht passt an diesem Bild: Der Zug steht tatsächlich deutlich sichtbar auf dem Gleis und gerade erfolgte der Pfiff zum losfahren.

Per amtlicher Bekanntmachung des Wirtschaftminsteriums SH wurden Ende April Kartierungsarbeiten für Südspange und A21 angekündigt, die bereits seit Mai laufen und bis Ende April 2021 gehen werden. Und auch wenn wegen Corona viele Räder stehen bleiben: Straßenplanungen betrifft das - leider - nicht!

!!! ACT NOW !!!

Der Südspangenzug setzt sich in Bewegung und wird immer schwerer zu stoppen sein, wenn er erst einmal Fahrt aufgenommen hat.

Deswegen: Solange die Planungen noch in einem frühen Stadium sind und noch nicht viel Geld geflossen ist es immens wichtig, JETZT aktiv zu werden. JETZT Druck auszuüben auf die Politik, ob lokal oder auf Bundesebene. Für eine Verkehrswende mit viel Rad, ÖPNV und Güterverkehr zur Schiene. Für den vollständigen Erhalt des verbliebenen Kieler Grüngürtels.

Druck machen, dass die Stadt Kiel ihre eigenen Beschlüsse umsetzt. Sei es der Masterplan Mobilität, der bis 2035 eine Reduzierung des KFZ-Verkehrs um 40% vorsieht, um die CO2-Ziele der Stadt zu erreichen. Sei es die Erklärung des Klimanotstandes, der alle Beschlüsse unter Klimavorbehalt stellt. Sei es auch das Kleingartenentwicklungskonzept, dass für das betroffene Gebiet einen Kleingartenpark am Hörn-Eidertal-Wanderweg (pdf) vorsieht und im kompletten Widerspruch zu Straßenplanungen ist, wo sowohl Kleingärten als auch Wanderweg Geschichte wären.

Für Freitag, den 7.8. haben FridaysForFuture eine Kundgebung gegen die Südspange angekündigt. Hoffen wir, dass das nur der Auftakt ist für viele weitere Aktionen auf unterschiedlichen Ebenen ist, um diesen anachronistischen Straßenbau-Spuk im Grüngürtel schnell zu beenden!

demo fridays kiel

Bilder
(ganz oben) Ein Regionalexpress Kiel-Hamburg in Höhe der geplanten Südspangenbrücke
(mitte) Transparente im Bereich Barkauer Kreuz, Kleingärten, Eidertalwanderweg
(unten) Unterm Waldwiesenkreisel bei der Fahrraddemo von FridaysForFuture am 19. Juni